Wo sind sie geblieben ?

     


 

170. Infanterie Division von Hela nach Kiel

Über die letzten Stunden auf Hela bis hin zur englischen Internierung in Schleswig-Holstein berichtet der letzte Regimentsführer major Tietz:

"Es ist zunächst nicht leicht, den im Schlaf liegenden Stab der Division zu mobilisieren. Schließlich wird der Divisionskommandeur Generalmajor Hass gebeten, sich mit dem Armeeführer General von Saucken in Verbindung zusetzen, um Klarheit über die verworrene Lage zu erhalten. Er macht sich umgehend auf den Weg zur Armee und unterrichtet mich nach meiner Rückkehr.

Unter strenger Geheimhaltung wird mir mitgeteilt, daß um Mitternacht dieses Tages (8.5.1945) kapituliert wird und nur noch zwei Mann je Einheit mit Namenslisten zur Verladung kommen können. Um unter den ca. 60 000 Soldaten auf Hela, für die Rettung wegen fehlenden Schiffsraumes nicht mehr möglich ist, keine Panik entstehen zu lassen, darf die bevorstehende Kapitulation nicht bekannt werden. Ich bitte darauf hin den Divisions-General darum, für mein Regiment selbstständig handeln zu dürfen, was mir zugesagt wird. Der Regiments Adjutant Hauptmann Dahlinger erhält den Befehl sich sofort zum Kriegshafen zu begeben und dort für die Reste des Artillerie Regiment ein Schiff zu `chartern`.

Über eine noch besehende Feldleitung zu Sammellager im Wald wird der sofortige Abmarsch des Regimentes in Richtung Kriegshafen befohlen. Einige Offiziere sind Übermüdung ihrer Soldaten darüber ungehalten und können sich nur schwer zur Ausführung dieses Befehls entschließen.

Nach Ankunft im Hafengelände erhalten die Abteilungsführer den Befehl, so viele ihrer Soldaten wie möglich in kleinen Gruppen auf die Schiffe zu schleusen, die alle aufnehmen, um möglichst schnell voll beladen auslaufen zu können. Gegen Mittag verläßt bis auf eine Kampffähre und ein Lazarettschiff das letzte Boot den Hafen Hela.

Da die Sicherungskette der Feldjäger immer dünner wird und die Gefahr das Durchbrechen zu Mole besteht, übernimmt der Rest des Artillerie Regiment 204 (ca. 1000 Mann) die Absperrung. Die letzten von Hauptmann Dahlinger gecharterte kleine Kampffähre besteigt der Rest des Divisionsstabes, unser Regiments Adjutant als `Grußübermittler` für die Heimat, wie auch denjenigen Batterieführern das Besteigen freigestellt wird, die mehr als die Hälfte ihrer Einheiten verladen haben. Ich erkläre meinen Entschluß, bei den Rest des Regiment auf Hela zu bleiben,

Die Absperrung hält, so daß die Sankas ordnungsgemäß Verwundete zu dem Lazarettschiff transportieren können. - Bange Stunden der Ungewißheit machen sich breit. Nur gut, daß die Tausende von wartenden Soldaten von der bevorstehenden Kapitulation und ihren Weg in die russische Gefangenschaft nichts wissen oder ahnen. -

Unsere Augen kaum zu trauen, als am Nachmittag drei Zerstörer mit hoher Bugwelle auf Hela zusteuern. Können oder sollen diese die Rettung der Reste des Artillerie Regiment 240 bringen ? Wie später zu erfahren ist, wurden auf  Befehl ihres Admirals diese Zerstörer noch einmal nach Hela in Marsch gesetzt, um zu retten, was zu retten ist.

Die Rettung der Artilleristen muß gelingen. Ich fahre umgehend zum Kommandanten des Kriegshafens, um eine Verladeerlaubnis für uns einzuholen, da nunmehr wiederum nach Liste verladen werden muß. Die bevorzugte Verladung wird genehmigt, da das Regiment sich durch die Absperrungshandlung verdient gemacht hat und ein Berliner Panzer Regiment zur Übernahme der Absperrung bereitsteht. Nach Anlegen der Zerstörer marschiert der Rest der Artillerie Regiment 240 geordnet auf die Mole. Kurz vor Besteigen der Schiffe überbringt mir aufgeregt ein Zahlmeister als Flugblatt den letzten Armeebefehl, wohin ein letzter Dank und der gemeinsame Weg des Armeeführes von Saucken mit allen noch auf Hela stehenden Soldaten in die russische Gefangenschaft geschrieben steht. Die Armee hat vom Eintreffen der letzten Zerstörer zu spät erfahren, sonst wären die Flugblätter noch nicht verteilt worden. Eine stürmische Unruhe macht sich jetzt unter den hinter der Absperrung wartenden Soldaten breit.

Beim Besteigen des Schiffes - wir werden vorwiegend von den Zerstörern "Karl Galster" aufgenommen - erfahren die Artilleristen schließlich von der bevorstehenden Kapitulation und werden aufgefordert, ihre Handfeuerwaffen abzulegen. Mit Anbruch der Dunkelheit legen die Zerstörer ab. Der Russe stört diese Aktion weder durch Artilleriebeschuß noch von Bombenangriffe. Wahrscheinlich nimmt er an, daß ihm diese Schiffe ohnehin nicht mehr entgehen können und ihm die Beute sicher ist. Die Kapitulationsbedingungen bestimmen, daß alle Seefahrzeuge, die um Mitternacht des 8.5.1945noch ostwärts Bornholm stehen, umkehren und einen sowjetischen besetzten Hafen anlaufen müssen. 

Die Fahrt über See auf Leben und Tod beginnt auch für die Reste des Artillerie Regiment 240. Auf der Fahrt über die Ostsee gen Westen verfolgen sowjetische Schnellboote die Zerstörer. Nach drei Stunden Höchstfahrt werden die Verfolger abgeschüttelt. Als schließlich westlich von Bornholm die ersten englischen Flugzeuge gesichtet werden, geht ein Aufatmen durch die Reihen.

Der Hölle der russischen Kriegsgefangenschaft sind sie entkommen. Dem tapferen Einsatz  der Marine unter Führung des Großadmirals Dönitz bleibt dafür Dank. Die Soldaten gedenken in dieser Stunde der vielen in Gefangenschaft geratenen Kameraden und können es kaum fassen, das sie in letzter Minute noch einmal davongekommen sind.

In der Annahme, daß Flensburg noch nicht von den Engländern besetzt ist, laufen die Schiffe zunächst diesen Hafen an. Von dort  werden sie jedoch nach Kiel verwiesen. Die Kieler Förde liegt voll mit von Soldaten überbesetzten Schiffen aller Art, die zum Teil seit Tagen auf Landeinweisung warten. Hingegen werden die Zerstörer durchgezogen; ein englisches Kommando kommt an Bord, die Ausladung erfolgt an der Brücke Möckenberg in Kiel.

Auf Befehl des Engländers werden jeweils unter Führung eines deutschen Offiziers Marschblocks zu je 1000 Mann gebildet, Den Block mit dem Artilleristen kann und darf ich übernehmen. Da die Marschkolonnen beim Abmarsch vom Engländer nicht durchgezählt werden, überschreite ich die Zahl 1000. Somit können sich mehrere in Schleswig-Holstein beheimatete Soldaten auf den Fußmarsch von Kiel nach Sulsdorf bei Heiligenhafen/Ostsee rechts und links in die Büsche schlagen, so daß diese bereits am 11./12.5.1945 bei ihren Familien sind.

Bei der vom Engländer angeordneten Selbstverwaltung der `Gefangenen` gibt es keinerlei Disziplinschwierigkeiten. Dicht gedrängt in den leeren Viehställen, Scheunen und Kornböden warten die Artilleristen bei kümmerlicher Verpflegung auf ihre Entlassung.

Nach einigen Wochen erfolgt, mit den unteren Dienstgraden beginnend, die Entlassungen aus der Internierung. In vorbildlicher Weise setzt jetzt die Fürsorge füreinander ein. Heimatlose werden in Schleswig-Holsteinern entweder mitgenommen oder für sie Wohnung und Arbeit beschafft. Die in schweren Kriegsjahren erprobte treue Kameradschaft erhält auf diese Weise eine Krönung besonderer Art und hat bis heute an Bedeutung nicht verloren.

Unsere Mahnung

Ehemalige Kriegsteilnehmer, die jahrelang in vorderster Front waren und die Schrecken des Krieges am eigenen Leibe erfahren habe, sind gewiß nicht für einen Krieg. Mann sollte daher weder sie noch ihre toten Kameraden in unwürdiger Weise behandeln oder besudeln. - Wer gegen Krieg ist, sollte längst nicht gegen die Opfer eines solchen sein. - Die Toten schweigen nicht, wenn wir sie nicht dazu verdammen. Sie bleiben mit uns Mahner für den Frieden."

Quelle und Inhaber: 
Die Geschichte des Artillerie Regiment 240 in der 170. Infanterie-Division 1939 - 1945 - Martin Blanken
Seite 138 -140
 

     

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