Wo sind sie geblieben ?

     


 

Kämpfe der 170. Infanterie Division um Wilna

 

Ende Juni 1944 traten etwa 200 sowjetische Divisionen gegen die Heeresgruppe Mitte zur Großoffensive an und zertrümmerten die Front nördlich Witebsk bis südlich Bobruisk. In dieser Situation versuchte die deutsche Führung, ihren dort eingesetzten Verbänden unter Hinzuführung von zwei Panzerdivisionen und zwei Infanterie Divisionen (darunter die vom Narwa-Einsatz herangeholte 170.Infanterie-Division) den Übergang über die Beresina zu ermöglichen, um in der Linie Slusk - Minsk - Polozk die Front wieder zu stabilisieren.

Die sowjetischen Armeen verhinderten jedoch diese Absicht. So stieß die "3. Weißrussische Front" auf Wilna vor, das wegen seiner operativen Bedeutung als "fester Platz" gehalten werden sollte. Sieben Infanterie- und Füsilier - Bataillone, sowie mehrere Batterien Artillerie und weitere Einheiten, zum Teil von der 170.Infanterie-Division gestellt, verteidigen die Stadt. Sie waren jedoch nicht stark genug, den Platz länger als wenige Tage zu halten.

KTB Heeresgruppe Mitte - 3.7.1944  Durch den Kommandanten des festen Platzes Wilna wurde der Heeresgruppe um 11:50 Uhr mitgeteilt, daß die um Wina stehenden polnischen Banden (10 - 12000 Mann) die Absicht haben, mit den Deutschen zusammen die Verteidigung von Wilna gegen die Bolschewisten zu übernehmen. Als Vorraussetzung für ein Zusammenwirken wird von ihnen die Übergabe der Stadt gefordert. Chef der Heeresgruppe betonte sofort, daß eine Aufgabe des festen Platzes in keinem Fall in Frage käme. Falls von polnischer Seite neue Verhandlungen begonnen werden sollten, sind diese hinhaltend zu führen, bis eine Entscheidung von höherer Stelle gegeben wird.

Chef der Heeresgruppe setzt im Ferngespräch um 14:20 Uhr General Heusinger von der Lage in Wilna in Kenntnis. Außerdem wurde auf Befehl von Generalfeldmarschall Model der Wehrmacht Befehlshaber Weißruthenien, General Graf Rothkirch nach Wilna entsandt, um die Lage zu überprüfen. Der ganze Alarm löste sich gegen Abend dahin auf, daß der Chef des Stabes des Kommandanten des festen Platzes um 19:00 Uhr meldete, daß die eingeleitete Aufklärung über die angeblichen polnischen Absichten nichts habe feststellen können. Chef der Heeresgruppe befahl, daß die Stelle, von der dies unverantwortliche Nachricht ausgegangen sei, festgestellt und zur Rechenschaft gezogen würde.

5.7.1944 "Festen Platzes" Wilna        Die ersten Transporte der 170. Infanterie Division stehen seit dem Morgen dem 4.7.1944  4km vor dem Hauptbahnhof Wilna. Da eine Entladung der Züge im Bahnhof des starken Bombenschadens wegen unmöglich ist, entschließt man sich, ohne Befehlsanweisung auf freier Strecke zu auszuladen und somit können die ersten Teile bereits gegen Mittag des 5.7.1944 auf dem vom Kommandanten Festen Platz Wilna, Generalmajor Poel, angewiesenen Gefechtstand der II. Artillerie Regiment 240 (Kasematten) eintreffen und der Ausbau des Leitungsnetzes sowie das Herausschicken der der Funkstellen in Angriff genommen werden. Krad-Melder und Meldereiter werden der Eisenbahn entlang den noch fehlenden Einheiten entgegenzuschicken mit dem Befehl, sämtliche Transporte unverzüglich zu entladen und im Eilmarsch nach Wilna vorzuführen. Es ist somit möglich, bereits am 5.7.1944 abends 18 Uhr die Abteilung feuerbereit zu melden. Die Verbindung mit den in Stellung stehenden 2 schweren Batterien wir aufgenommen. In der Nacht 5. / 6. 7.1944 gelingt es dem Chef der s.Gr.W.Kp. 170 Oberleutnant d. R. Bayer, seine 17 Werfer vom Ausladebahnhof Landwaris im Landmarsch nach Wilna zu führen und diese ebenfalls bis zum Morgengrauen des 6.7.1944 feuerbereit zu machen.

7.7.1944    In den Morgenstunden wird im Südosten zum ersten Mal die Infanterie von Partisanen, die in die Stadt eindringen wollen, stark beschossen. Die Artillerie antwortete mit derben zusammengefassten Feuerschlägen, wodurch nach 1 1/2 Stunden die Ruhe vor dem Verteidigungsring wiederhergestellt ist. Nach Zurücknahme der Gefechtsvorposten, Einschiessen der V.B.s. auf wichtige Geländepunkte und Überprüfen der Haupt - Feuerräume. Gegen 16 Uhr trifft die Meldung ein, dass die unter Führung des Artillerie Leutnant Brüngens stehende Munikolonne im Lager "Marleen" von Partisanen überfallen, ihr Eintreffen nicht mehr zu erwarten ist und über ihren Verbleib keine Auskunft gegeben werden kann. Es ist somit ein weiteres Nachführen von Muni auf dem Landwege nicht mehr möglich.     

Am 8. Juli schlossen feindliche Infanterie- und Panzerverbände den Ring um die Festung. Dem in den ersten Tagen am Bahnhof geführten offenen Kampf folgten erbitterte Häuser- und Straßengefechte.

8.7.1944    Hinausschicken eines V. B. s. zu Kampfgruppe "Neu-Wilna" mit Ausbau von Zwischenfunkstellen auf halber Strecke, die allerdings gegen Mittag von Partisanen überfallen und zerschlagen werden. Daraufhin erneuerte Verbindungsaufnahme mit der Kampfgruppe "Neu-Wilna" durch A.V.O. Oberleutnant Müller mit einem Panzerspähwagen, der gegen 15 Uhr der die genaue Feindlage meldet. In den Vormittagsstunden derbe Feuerschläge auf Infanterie- und Panzerangriffe vor Abschnitt Laabs, wo die Stellung im wesentlichen gehalten wird. Die im Abschnitt ausgefallenen A.V.O. und V.B. werden am gleichen Tag ersetzt. In den Nachmittagsstunden Panzer und Lkw-Verkehr in Gegend Fugplatz. Durch kräftige Abrieglungsfeuer wird ein Einbruch von Süden her in die Stadt verhindert. Feuerstellung 6. Artillerie Regiment 240 wird durch M.G. - und Gewehrfeuer der Partisanen stark bedrängt, durch direkten Beschuß auf Kirchtürme und Häuser kann sich die Feuerstellung bis zum Stellungswechsel in der Dämmerung halten. Die Zurücknahme der nördlichen Teile der HKL bis zur Wilja erfordert den Stellungswechsel der s.Gr.W.Kp. zum Feuerstellungsraum 5. Artillerie Regiment 240 der in der Nacht unter Mitnahme sämtlicher Munition reibungslos durchgefürt werden kann. Melde- und Sperrfeuerräume für die neue HKL (Bahndamm, Kasematte, Burgkaserne, Wilja) werden angefertigt und den Batterien zugestellt, die Beobachter neu eingewiesen und angesetzt.

9.7.1944    Gegen 02:00 Uhr Stellungswechsel des Gefechtsstandes zur Gruppe Soth (Kloster "Ave Maria"). Gegen 02:30 Uhr Feuerbereitschaft der gesamten Artillerie-Gruppe in den neuen Räumen und für die neue HKL. Rückwärtiger Gefechtsstand im Feuerstellungsraum 5. Artillerie Regiment 240 wir eingerichtet und durch Adjutant besetzt. Heftige Feindangriffe im Laufe des Vormittags mit Panzern besonders in Gegend Bahnhof und Kasematten werden durch beobachtetes, wirksames Feuer zerschlagen. Ein Vorschieben von Panzern und Lkw auf der Straße Neu-Wilna-Wilna durch zusammengefasstes Feuer verhindert. Die wiederholten Anrufe der Infanterie Führer, die einmal das gut liegende Feuer der Artillerie melden und zum anderen ihren Dank für die Unterstützung zum Ausdruck bringen, werden schnellstens  bis zum letzten Kanonier weitergegeben, wodurch der Kampfgeist der Artilleristen gesteigert wird. In den Mittagsstunden werden die Feuerstellungen der 4. und 5. Artillerie Regiment 240 durch Partisanen und durchgesickerte reguläre Truppen überraschend von Süden her angegriffen. Durch gutliegendes direktes Feuer der Batterien auf die Angreifer und auf Wohnblocks in Nähe der Feuerstellungen kann nach ungefähr 2 Stunden härtester Kampfhandlungen die Lage wieder hergestellt werden. Entscheidenden Anteil am Freikämpfen der am stärksten bedrängten 5. Artillerie Regiment 240 hat Leutnant Schulz mit seiner tapferen Reservegruppe, die vorwiegend aus Teilen der Stabsbattalione und der Abteilung Protze besteht. Gemeinsam mit Teilen  der Kampfgruppe Schubert wird erneut der durchgebrochene Feind angegriffen und nach erbittertem Kampf erreicht die Kampfgruppe Schulz als einzige das befohlene Angriffsziel und Stößt darüber hinaus vor. Die beiden leichten Batterien sind wieder feuerbereit und beteiligen sich an den Abteilung Feuerschlägen. In den späten Nachmittagsstunden erneuter Feinddurchbruch gegen Stellungsraum 4. Artillerie Regiment 240. Ein Herankommen des Feindes an die Geschütze  wird verhindert. Feind bleibt jedoch 200 m Entfernung vor der Stellung fest liegen und verstärkt sich weiterhin. Reservekräfte zum Zurückwerfen dieser Feindteile stehen nicht zur Verfügung. In den Abendstunden Stellungswechsel der Batterie mit allen Rohren und aller Munition in den Stellungsraum der 12. Artillerie Regiment 240, 600 m nordwestlich der alten Stellung. Erneuter Angriff auf den Stellungsraum der 5. Artillerie Regiment 240 wir unter Führung des Batterie Chefs Oberleutnant Henning von der Nahverteidigung unter hohen blutigen Verlusten für den Gegner abgewiesen.

10.07.1944    Seit den frühen Morgenstunden werden wiederum durch zusammengefasstes Feuer laufend Feindangriffe und Bereitstellungen wirksam bekämpft. Die vom Feinde an mehreren Stellen gleichzeitig geführten Angriffe machen es des öfteren erforderlich,  dass sogar die Züge der Batterien nach verschiedenen Richtungen wirken. Gleichfalls macht sich der ausbleibende Munitionsnachschub erheblich bemerkbar und nur noch durch beobachtetes und schnell wechselndes Feuer ist es der Artillerie möglich, den sich an zahlreichen Stellen zeigenden Feind aufzuhalten. Äußerst erleichternd und vorteilhaft für die Führung der Artillerie ist die Einrichtung des 2. Gefechtsstandes. Von hier aus werden im raschen Handeln die Angriffe aus südwestlicher und westlicher Richtung wirksam bekämpft. In den frühen Nachmittagsstunden starker feindlicher Infanterieangriff mit Panzerunterstützung auf die Feuerstellung der 5. Artillerie Regiment 240. Nach mehrstündigen, hartem Gefecht ist dieser Angriff abgewiesen. Ein T-34 vernichtet, 3 s.M.G., 1 le.M.G., 5 M.P. und zahlreiche Gewehre erbeutet und 13 Gefangene von der Batterie eingebracht.  Mit diesem Abschuss des T-34 erhöht sich die Zahl von der Abteilung im Verlaufe des Ostfeldzuges insgesamt abgeschossenen Panzer auf 31. Obwohl der Stellungswechsel der Batterie nach diesen schweren Kämpfen freigestellt wird, entschließt man sich zum Weiterkampf aus diesem Raum. Ein für die gesamte Festungstruppe entscheidender Durchbruch zur Wilja hätte hier vom Feinde geführt werden können, was aber durch die Batterie als Eckpfeiler immer wieder vermieden werden konnte. Bei der Nachverteidigung der  5. Artillerie Regiment 240 haben sich weiterhin erfolgreich geschlagen und besonders ausgezeichnet große Teile der s.Gr.W.Kp. 170. Durch Funkspruch wird allen Teilen der Abteilung die vom Kommandanten "Festen Platz" - Generalleutnant Stahl - ausgesprochene Anerkennung bekannt gegeben, in der es heißt, dass dem Führer und dem OKH das so tapfere Verhalten der Artillerie gemeldet worden ist. 

Vom 11. zum 12.7. brachen die im Norden und Osten gelegenen Einheiten durch die von Sowjets und Partisanen (Polnische Partisanenverbände der „Armia Krajowa Heimatarmee) besetzen Straßenzüge zum Westteil der Stadt durch, um in der Nacht zum 13.7. mit der gesamten deutschen Besatzung den Ausbruch aus Wilna zu erzwingen. Der einzige mögliche Weg führte über die reißende Wilja. Viele Soldaten sind hier gefallen und ertrunken. Die Reste wichen vor dem nachdrängenden Feind entlang des Flusses aus bis sie an eine Stelle kamen, an der eine Luftwaffeneinheit einen kleinen Brückenkopf für eine zweite Übersetzen über die Wilja gebildet hatte.

Viele versuchten, den Strom schwimmend oder mit rasch zusammengebauten Flöße zu überqueren. Man sah auch keine Möglichkeit ein Seil über die Wilja zu spannen, sodass bereits an dieser Stelle hunderte Soldaten ertrunken sind. Bald lag jedoch auch diese Stelle unter dem Feuer der Sowjets. Erneut traten schwere Verluste ein, viele der Nichtschwimmer sahen keinen Ausweg und nahmen sich am Ufer selbst das Leben.

11.07.1944    Seit den frühen Morgenstunden erneutes Bekämpfen von Feindangriffen vorwiegend in Gegend Bahnhof und ostwärts davon. Die Abteilung schießt laufend Abriegelungsfeuer vor Einbruchstelle südlich Burgberg und Bahnhof. Mit freien Teilen werden trotz der geringen Muni-Bestände kurze, aber wirkungsvolle Feuerzusammenfassungen auf gemeldete Bereitstellungsräume geschossen. Die beiden schweren Batterien schießen laufend Störungsfeuer auf wichtige Verkehrskontenpunkte im Hintergelände, um dadurch dem Feind die ungebrochene Feuerkraft aller schweren Waffen immer wieder zu zeigen. Durch die Luftwaffe wird le.F.H. Munition abgeworfen und 150 Schuss geborgen. Erneute Nahkämpfe der 5. Artillerie Regiment 240 seit den frühen Morgenstunden gegen feindliche Infanterie und Panzerkräfte. Die Geschütze werden zur Panzerbekämpfung auf die Straße gezogen und verhindern somit ein weiteres Vordringen der hier eingesetzten Feindkräfte. Trotz schwerster blutiger Ausfälle hält die Batterie in ihrer Nahsicherung bis zum Abend die für die Gesamtverteidigung so ungemein wichtige Stellung. Im Mannschaftszug werden im Laufe der Nacht die Geschütze heraus gezogen, da die HKL jetzt bis zum Stellungsraum zurück genommen wird. Die Zurücknahme der HKL bis auf Stadtmitte macht den Stellungswechsel des vorgeschobenen Gefechtsstandes erforderlich. Mit sämtlichen Gerät und unter Mitnahme der Leichtverwundeten kämpft er sich nachts durch die brennende Stadt und durch eingesickerte Feindteile zum Feuerstellungsraum durch. V.B.s. und A.V.O.s. setzen sich mit der Infanterie zusammen ab und melden laufend die Feindlage vor ihrem Abschnitt. 

12.07.1944    In den frühen Morgenstunden nur Angriffe des Feindes aus südlicher und südwestlicher Richtung, die wir geringen Muni-Aufwand durch beobachtetes Feuer zerschlagen werden. Der erwartete Großangriff in den Mittagsstunden aus dem ehemaligen Feuerstellungsraum der 5. Artillerie Regiment 240 heraus, wird durch zusammengefasstes Feuer wirkungsvoll zerschlagen, wie durch die hier eingesetzte Infanterie wiederholt bestätigt wird. Im Laufe des Nachmittags werden die Vorbereitungen für das Herauskämpfen aus dem Kessel getroffen. Die Abteilung schießt laufend Feuerzusammenfassungen, um bis zum Termin des Durchbruchs den Rest der Munition verschossen zu haben. Ab 21.00 Uhr zerstören der Fahrzeuge und des Geräts, das von den Männern nicht getragen werden kann. Ab 21.30 Uhr werden in wechselnder Reihenfolge die Rohre der schweren Batterie der s.Gr.W.Kp. und der leichten Batterie in Verbindung mit Feuerzusammenfassungen gesprengt. Von 22.00 Uhr bis 22.15 Uhr schießt die Abteilung starkes Vorbereitungsfeuer mit den noch vorhandenen Rohren auf das Ziegeleigelände im Südwesten für ein Scheinunternehmen. Das russische Störungsfeuer, das hier auf der vorgesehenen Durchbruchsstelle lag, wird daraufhin eingestellt und nach dem Südwesten verlegt. Nach dem Sprengen des letzten Rohres um 22.45 Uhr setzt sich die Abteilung unter Mitnahme der Handwaffen, der Fernsprech- und Funkgeräte nach dem am Tage bereits erkundeten Übergangsstellen zur Wilja in Marsch. Heftiges Feindfeuer sowie Unpassierbarkeit des Flusses bringen nunmehr der Abteilung schwerste Ausfälle. Obwohl viele Freischwimmer wiederholt den Fluss überqueren, um den zurückgebliebenen Teilen entfernt liegenden Furtstellen anzuweisen, gelingt es nur, ungefähr die Hälfte der Abteilung über diesen Fluss hinüber zu bringen, die sich dann bis zur zweiten Übergangsstelle durchkämpft. Hier treten die gleichen Schwierigkeiten auf und trotz des heldenmutigen Einsatzes vieler Dienstgrade und Mannschaften gelingt es nur, ungefähr ein Fünftel zum Bestimmungsort Kauen durchzubringen.

       

KTB-Auszug vom 5.7. - 12.7.1944 Unterschrieben von H. Tietz (Hauptmann und Kommandeur II./A.R. 240)

Ein Heimkehrer berichtete darüber: "Nach meiner Schätzung sind bei den Flußübergängen 80% der Einheit ums Leben gekommen. Bei der Einnahme von Wilna  wurden durch die Russen und Polen  (Polnische Partisanenverbände der „Armia Krajowa Heimatarmee) ein Großteil der zurückgelassenen Verwundeten und Gefangenen in den  Lazaretten wurden aus den Fenstern geworfen und erschossen.

Nahezu 80% Soldaten der Division kehrten nicht mehr zur Truppe zurück und gelten seitdem als vermißt. Die aus sowjetischer Gefangenschaft heimgekehrten Soldaten der 170. Infanterie Division wurden nach dem Verbleib der Vermißten befragt; kein Einziger konnte jedoch einen Hinweis über eine erfolgte Gefangennahme oder einen Lageraufenthalt geben. Dadurch erhärtet sich die aus der Kampfsituation gezogene Schlußfolgerung, daß die Verschollenen im Kampf um Wilna gefallen sind.


Hans L.

Wachtmeister                                                                                                             G.U.,25.7.44

 

Einsatzbericht des 2.m.Fu.100

für die Zeit vom 1.7. - 21.7.44

 

Am 1.7.44 brach die 2. Kampfstaffel der Nachr.Abt.240, darunter der 2.m.Fu.100 der 2./N.240 aus Sootaga auf und setzte sich unter Führung von Herrn Hptm. Beneke nach Toila in Marsch, um dort verladen zu werden. Der Funktrupp hatte die Aufgabe, während des Bahntransportes Funkverbindung zur l. Kampfstaffel, die bereits am Vortage abgefahren war, aufzunehmen.

Ab 2. Juli um 02:00 Uhr setzte sich der Zug in Bewegung und fuhr in flotter Fahrt über Lorpat, Riga, Schaulen, Kauen bis kurz vor Wilna. Da die Strecke hier von Partisanen gesprengt war, verlangsamte sich das Fahrtempo sehr erheblich, sodass der Bahnhof Wilna am 3.Juli nicht mehr erreicht wurde und in der Nacht zum 4.,unmittelbar vor der Stadt ein sehr heftiger russischer Bombenangriff auf diesen und die vor ihm stehenden Transporte stattfand, der zum Glück bei der Nachr. Abt. keine Ausfälle und Schäden hervorrief.

Am nächsten Tag, dem 4.Juli, fuhren wir nur wenige hundert Meter und standen am Nachmittag immer noch vor dem Bahnhof. Es bestand zunächst auch keine Aussicht auf Weiterbeförderung. Hptm. Beneke befahl uns daher, Funkverbindung mit der 1.Kampfstaffel herzustellen und anzufragen, ob wir in Wilna entladen und das Marschziel auf dem Landwege erreichen könnten. Bevor aber eine Antwort auf diese Anfrage erfolgt war, wurde ein von höherer Stelle ergangener Befehl bekannt, wonach alle noch auf den Transport befindlichen Truppenteile in Wilna entladen werden müssten. Es handelte sich dabei ausser um uns von unserer Division besonders um das G.R.399 und die II./A.R.240. Später kamen noch das Div.Füs.Btl.170 und andere kleine Einheiten dazu.

Die Teile der Nachr. Abt. wurden in der Höhe der Kasematten von Wilna, in denen der Kommandant der Stadt, die inzwischen zum festen Platz erklärt worden war, seinen Gef.  Stand hatte, zusammengezogen. Am 5.Juli erhielten wir durch Funkspruch von der Division nähere Anweisung über den Weitermarsch. Sie konnten aber nicht mehr ausgeführt werden, da die Einheiten bereits für die Verteidigung des festen Platzes bestimmt waren und darum festgehalten wurden. Lediglich die mot. Teile der Nachr. Abt. ausser dem Funktrupp und ein paar Fahrzeugen der l. Komp. konnten am gleichen Tage unter Führung von Herrn Lt. Schulte die Stadt verlassen und sich zur Div. in Marsch setzen. Die Funkstelle hielt für die zurückgehaltenen Teile Verbindung mit der Division und ermöglichte dadurch die Zusammenfassung aller noch später eingetroffenen Trosssteile.

Die Abt. gab uns am 7.Juli früh den Befehl, auf dem Wege über Ib zur Div. zu marschieren. Die Funkstelle sollte sofort bei der Div.-Ib zum Einsatz kommen. Da die Strasse nach Lida, die von uns benutzt werden sollte, wegen Partisanengefahr nur noch bedingt befahrbar war, konnte sich Hptm. Beneke nicht entschliessen, noch am gleichen Tag abzufahren. Als wir uns dann am nächsten Morgen (8.Juli) zum Abmarsch bereit gemacht hatten, wurde die Genehmigung, die Stadt zu verlassen, vom Kommandanten des festen Platzes zurückgezogen.

Gegen Mittag, dieses Tages machten wir Stellungswechsel zum Gef. Stand G.R.399, der in den Kellern des Klosters untergebracht war. Um die gleiche Zeit war es den Russen gelungen, den Ring um die Stadt zu schliessen und an einigen Stellen in ihre Aussenbezirke einzubrechen. Damit war für alle in der Stadt befindlichen Truppenteile die Notwendigkeit zu höchster Alarmbereitschaft und zum äussersten Einsatz für die Verteidigung des festen Platzes gegeben. Die Funkstelle wurde dem Kommandanten direkt unterstellt und fuhr gegen Abend zu den Kasematten zurück, wo sie unter schwierigen Verhältnissen (die Zuführung zur Hochantenne musste 16-18 Meter unter die Erde geleitet werden) im Winkel eines Heizungsraumes aufbaute und Verbindung mit dem Pz.A.O.K.3 aufnahm. Es bestand ausserdem noch eine Verbindung durch U-Kabel, sodass die Funkverbindung zunächst nur als Überlagerung diente. Alle übrigen Männer der Abteilung wurden zur Verteidigung eines Abschnittes am Stadtrand in der Nähe des Bahnhofes eingesetzt.

In den späten Abendstunden setzte der Russe zu einem Grossangriff an. Auch der gesamte Gef. Stand wurde alarmiert und musste die Kasematten verlassen. Die Funkgeräte mussten auf Befehl gesprengt werden. Später erwiesen sich diese Massnahmen als übereilt. Die Gef.Stände wurden wieder bezogen und es gelang zum Glück einen zweiten 100-Watt Sender und einen Empfänger zu beschaffen, sodass die Funkverbindung wieder hergestellt werden konnte.

An den beiden folgenden Tagen wiederholte der Russe seine schweren Angriffe immer aufs Neue. Sie konnten zwar im Wesentlichen vom inneren Stadtkern abgewehrt werden, doch wurde auch hier die Lage immer kritischer, zumal überall in Häusern und Türmen Partisanen sassen, die alles, was sich auf den Strassen zeigte, mit Gewehr- und M.G.-Feuer belegten. Die Abwehrkraft der Besatzung wurde durch wiederholte Stuka-Einsätze, durch den laufenden Abwurf von Verpflegungs- und Munitionsbomben sowie durch die Hoffnung auf einen baldigen Entsatz gestärkt. - Der Funktrupp hatte mit den infanteristisch eingesetzten Teilen der Nach. Abt. nur durch gelegentlich entsandte Melder Verbindung und erfuhr dadurch, das Hptm. Beneke sowie mehrere Männer der l. Komp. bereits am 8.7. verwundet worden waren. Der Versuch, dies der Abteilung mitzuteilen; da die Funkverbindung zur Div. nicht mehr möglich war. - Die Kasematten selbst wurden mehrfach mit sohwerem Artillerie- und Granatwerferfeuer belegt. Unsere Antenne wurde wiederholt völlig zerstört und konnte nur unter grösster Gefahr wieder hergestellt werden, wobei sich der Gefr. Müller besonders einsetzte. Durch den starken Beschuss wurde am 10. auch das U-Kabel so zerstört, dass es nicht wieder hergestellt werden konnte. Die Funkstelle ermöglichte daher jetzt die einzige Verbindung nach aussen und konnte sie auch trotz grösster Schwierigkeiten (grosse Entfernung, starke Luftstörungen, fremde Störsender) bis zuletzt aufrecht erhalten.

Die sich immer mehr zuspitzende Lage wurde durch folgenden, am 10. an das AOK abgesetzten Funkspruch gekennzeichnet:

"Praktisch Kampf nach allen Seiten. Gelände im Osten musste nachts aufgegeben werden. Bedeutende Verluste erzwingen weiteres Abbröckeln, sodass Nutzen hier für Euch nur bis Mittwoch Mittag wahrscheinlich. Anhaltende Hilfe von Aussen erforderlich."

Gleichzeitig liess der Kommandant, Generalltn. Stahel, der Besatzung mitteilen, dass sie noch etwa 30 Stunden aushalten müsse und dann mit der Entsetzung rechnen könne. Umso mehr waren wir bestürzt, als wir am 11.7. nachmittags einen unter grössten Schwierigkeiten aufgenommenen Funkspruch entschlüsselten, dessen 'Wortlaut etwa folgender war:

"Führerbefehl; Herauskämpfen über Wilja zu linkem Flügel Tolsdorf an Mündung Waka-Wilja."

 Dieser Befehl veränderte Lage und Absicht grundlegend. Auch der Kdt erschien überrascht und forderte vom Funktrupp unter Androhung sofortiger Erschiessung absolutes Schweigen, da die Durchführung des Befehls frühestens am Abend des folgenden Tages erfolgen könne. Aber schon nach wenigen Stunden begann In allen Abteilungen des Stabes eine erregte Geschäftigkeit, die auf eine schleunige Aktion schliessen liess. Auch wir erhielten den Befehl, uns nur mit Waffen und den nötigsten Gepäck auszurüsten und Gerät und Unterlagen zur Vernichtung vorzubereiten. Um etwa 21:30 Uhr verliess dann der Stab, nachdem alle Papiere und sämtliches Gerät zerstört waren, in zwei Staffeln die Kasematten, vereinigten sich im Kloster mit anderen Gruppen und kämpften sich durch die brennenden Strassen aus dem inneren Stadtring zum Westrand, der noch In deutscher Hand war, hindurch. Der Feind, der offenbar zunächst nichts von dem Durchbruch gemerkt hatte, forderte noch durch Lautsprecherwagen zur Übergabe auf, belegte dann aber die später ausbrechenden Gruppen, darunter auch die eingesetzten Teile der Nachr. Abt. mit umso schwererem Feuer, forderte gleichzeitig durch Lautsprecher auf, alles zu erschlagen und fügte diesen Gruppen schwerste Verluste zu.

Am Morgen des 12.Juli sammelte sich die ausgebrochene Besatzung in der Stadt im Gebiet eines grossen Lazarettes. Die hatte hier unter wiederholten heftigen Erd- und Luftangriffen des Feindes zu leiden. Der Funktrupp nahm von hier aus mit dem Gerät einer Flak-Abt. nochmals Verbindung zum Pz.AOK 3 auf bis am Abend auch dieses Gerät zerstört wurde. Gegen 22:00 Uhr setzten sich alle Gruppen in bestimmter Reihenfolge zum Ostufer der Wilja in Marsch. Unter beständigen Beschuss vom feindlichem Westufer her krochen wir durch den das Ufer begrenzenden Wald langsam zum Ufer hinab. Je länger, desto mehr schoben sich von allen Seiten Angehörige anderer Gruppen zwischen die Reihen, sodass der Zusammenhang schliesslich verloren ging, und auch der Funktrupp nicht mehr beisammen bleiben konnte. Zudem setzte ein heftiger Regen ein und erschwerte das Vorwärtskommen erheblich. Am Ufer selbst, das nur durch feindliche Leuchtraketen gelegentlich erhellt wurde, war es schwer sich zu orientieren. Einweiser waren nicht zu finden, bestimmte Übersetzstellen waren nicht bekannt und von irgendwelchen Vorbereitungen war nichts zu sehen. Der Fluss war in dieser Gegend etwa 150-300 Meter breit und war so reissend, dass selbst guten Schwimmern der immer wiederholte Versuch, das andere Ufer schwimmend zu erreichen, jedenfalls mit Waffen und Bekleidung nur ganz schwer gelang. Auch die Versuche an Seilen hinüberzukommen brachten nicht den gewünschten Erfolg. Diese Schwierigkeiten, dass Geschrei der Ertrinkenden, und dauernder Beschuss hielten viele Soldaten, von dem Versuch, den Übergang zu wagen, ab. Viele erwogen, sich in ein paar nahe gelegene Häuser zurückzuziehen, sich dort bis zum nächsten Abend zu verteidigen und es dann noch einmal zu versuchen. Erst als es hell zu werden begann, wurde etwas weiter flussabwärts eine Furt entdeckt, durch die man, wenn sich mehrere Leute zusammenhielten, gegen die Strömung hinüberkommen konnte. Hier kam noch eine grössere Anzahl hinüber, das Schicksal derer aber, die es wegen des beständig zunehmenden Beschusses nicht mehr geschafft haben, ist ungewiss.

Vom  Westufer aus setzten sich nacheinander zwei Kolonnen in Bewegung  denen sich die herübergekommenen Gruppen nach und nach anschlossen. Der Zug bewegte sich querfeldein durch das russische Gebiet nach Westen. Zum Glück waren die feindlichen Sicherungen nur schwach und das ganze Interesse des Feindes war auf die Übergangsstellen gerichtet, sodass wir,  obwohl es schon heller Tag war, ohne grosse Schwierigkeiten vorwärts kamen, Erst nach etwa 10 km wurden wir mit Flak-M.G. und Gewehrfeuer beschossen. Sämtliche Leute waren jedoch durch das Geschehen so erschöpft, dass an einen Widerstand nicht zu denken war, sondern versucht wurde, schnellstens weiter nach Westen Raum zu gewinnen. Dazu kam, dass es inzwischen wieder begonnen hatte, heftig zu regnen, sodass die vom Flussübergang noch nicht getrocknete Bekleidung - soweit sie überhaupt noch vorhanden war - wieder völlig durchnässt wurde.

Nach etwa 15 km erreichten wir die russische HKL die nach verhältnismässig kurzen Gefechten durchstossen werden konnte. Um aber deutsches Gebiet zu erreichen, mussten wir nun ein zweites Mal über die Wilja. Auch dieses Mal waren keine Vorbereitungen zum Übergang getroffen, sodass jeder selbst sehen musste wie er hinüberkam. Es war lediglich ein Boot vorhanden, dass die Verwundeten transportierte, die sich durch den starken Granatwerfer und M.G.-Beschuss dauernd vermehrten. An einigen Stellen versuchten die Männer Flösse zu bauen, die aber infolge zu starker Belastung untergingen oder durch die grosse Strömung abgetrieben wurden. An einer Stelle wurde sogar versucht, aus Gewehrriemen ein Seil zu schaffen, an dem man sich gegen die Strömung festhalten sollte. Als aber die Bedrohung durch den Feind immer grösser wurde und der Beschuss heftiger, blieb für die meisten, die bis hierher durchgekommen waren, wenn sie nicht jetzt noch in die Hände der Russen fallen wollten, nichts anderes übrig, als, oft unter Zurücklassung der letzten noch vorhandenen Teile an Bekleidung und Ausrüstung, zu versuchen, schwimmend das andere Flussufer zu erreichen. Für die, die so vielfach mit letzten Kräften, das deutsche Ufer erreicht hatten, stand nach einigen Hundert Metern Fussweg an der Rollbahn Lkw`s bereit, die sie in das nächste Dorf brachten. Hier gab es zum ersten Mal seit der Einschliessung in Wilna warmes Essen und man konnte versuchen, seine Bekleidung ein wenig zu trocknen.

Aber schon nach wenigen Stunden, gegen 21:00 Uhr, kam der Befehl zu neuem Aufbruch und zur Weiterfahrt nach Kauen. Der Russe hatte hinter dem Rücken der zu unserer Aufnahme vorgestossenen Gruppe Tolsdorf wiederum einen Ring geschlossen, sodass die deutsche Front zurückgenommen und ein Ausweg freigekämpft werden musste. Diesmal brauchten wir aber nur auf unseren Lkws ein paar Stunden zu warten, während die Panzer, die uns vorausgefahren waren, den Weg frei kämpften.

Am 14.7. gegen 11:00 Uhr trafen wir in Kauen ein, wurden dort in einer Kaserne untergebracht, gut verpflegt, mit dem Nötigsten an Bekleidung ausgerüstet und dann angehalten, erst einmal gehörig auszuschlafen. Die durchgebrochenen Teile der Besatzung aus Wilna, bis auf die Leute, die infolge Verwundung oder Krankheit in Lazarette eingeliefert worden waren, traten am Vormittag des nächsten Tages noch einmal vor ihrem Kommendanten an. Es waren 66 Offiziere und 1100 Mann.

Von der Nachr.-Abt. fanden sich nur 6 Mann wieder, je 3 von der 1. und  2.Kompanie. Vom Funktrupp fehlten 4 Mann. Wir schlossen jetzt der II./A.R.240 an und warteten mit allen Teilen der 170.Inf.Div. auf den Befehl zur Rückkehr zur Division, der am 17. abends gegeben wurde. Mit einem Bahntransport fuhren wir über Wirballen, Insterburg, Goldap, Treuburg nach Sudauen. Hier wurde der Transport aufgelöst, wir meldete uns von der II. Abt. ab und erreichten am 21.7. unsere Kompanien.

 

Tagebuchauszug vom 1.7 - 16.7.1944

1.7.1944 Ich bin 24 Jahre. Doch mein Geburtstag geht still vorüber. Mittags fährt die 2. Kampfstaffel. In Toila Verladung. Nachts 02:00 Abfahrt. Ich schlafe im Wagen. Das Wetter ist ganz herrlich gewesen heute.
2.7.1944 Dieser Tag ist ganz entscheidend für mich. Mit Hannes kann ich tadellos über das sprechen, was mich z. Zt. beschäftigt. Annelene! Wir machen ganz große Pläne, ich bin ganz davon erfüllt. Hoffentlich geht alles in Ordnung, so wie wir es denken. Aber nun müssen wir erst mal Krieg machen.
3.7.1944 Es ist eine herrliche Fahrt. Gestern musste ich O.v.Zug spielen. Hannes u. ich sprechen immer noch über Annelene. – Wir fahren langsam, Partisanengefahr. Abends vor Wilna. Heftige Bombenangriffe, wir liegen 2 Stunden im Graben.
4.7.1944 Das war eine Nacht. Wir stehen den ganzen Tag auf dem Bahnhof. Abends werden wir entladen. Der Russe hat bereits Minsk besetzt. Unsere Div. ist mit den ersten Teilen bereits in schwerem Kampf. Wir können nicht mehr hin, werden in Wilna festgehalten. Fahrt durch eine erneute Bombennacht in die Kasematten.
5.7.1944 Die zweite Div.Marschgruppe wird zur Verteidigung von Wilna festgehalten. Wir haben Verbindung zum Div.Stab. Major Soth ist Führer der hier weilenden Teile. Wir machen schweren Funkverkehr, Gewitterstörungen. Die mot. Teile der N.A. fahren ab zur Div. Wir bleiben aber hier. Ich übernehme den 2.m.Fu. provisorisch.
6.7.1944 Funkverkehr besser. Wir leben draußen. Ein guter Gef.Stand. Hptm. Beneke ist für uns verantwortlich. Ich bringe einen Brief für A. zur Bahn zum Lazarettzug, sonst ist nämlich Postsperre. Es ist ein ganz entscheidender Brief, Hannes und ich können nur fest auf ein Ja hoffen.
7.7.1944 Wir bekommen von der Abt. Befehl zur Division zu kommen. Hptm. Beneke kann sich nicht entschließen, obwohl die Zeit drängt. Der Russe schließt immer mehr den Ring um die Stadt. Ich habe die Straße nach Lida erkundet. Es sollen wenige Partisanen dort sein, aber besser als in Wilna zugrundegehen. H. Beneke fährt nicht, obwohl nochmal Befehl kommt "Funkstelle sofort in Marsch setzen". Wir wollen morgen früh fahren. Der Russe schießt bereits in die Stadt.
8.7.1944 Hptm. Beneke bringt den Bescheid, daß wir nicht mehr wegdürfen. Gestern hatten wir noch die Genehmigung. So sind wir nun verurteilt, hier zu bleiben. Mittags ziehen wir um zum Gef.St.399, nachdem wir uns eingerichtet haben, müssen wir wieder zurück. Abstellung zum Kdt. Wilna, Verbindung zum III.PzAOK übernehmen. Wir bauen in den Kasematten auf, 20 mtr. tief. Wer weiß, ob man hier wieder heraus kommt. Nachts Alarm, der Russe ist auf unserem Berg, alles verläßt den Bunker.100000 Befehle, dann der zu sprengen. Ich tue es. Empf. ganz, Sender teilw. vernichtet. Aber es war alles nur Panik.
9.7.1944 Man unterstellt mir, voreilig und eigenmächtig gehandelt zu haben. Ich werde unter Aufsicht gestellt. Wir können aber den 100 Watt Sender mit einem anderen Sender austauschen und mit T-Empf. die Verbindung wieder aufnehmen. Dadurch scheint es für mich wieder besser zu werden. Die Stimmung ist sonst schlecht. Man verspricht Verstärkung, aber es kommt keine.
10.7.1944 Wenig Schlaf, kein Appetit, jeder muss sich klar darüber werden, hier zu bleiben. Wenn man daran denkt, daß wir hätten weg sein müssen und können, dann kann man heulen.
Starke Beschießung unseres Bunkers. Wir müssen eine neue Antenne bauen. Der Iwan läßt kaum Gelegenheit dazu. Wieder wenig Schlaf in der Nacht.
11.7.1944 Große Störungen am Gerät. Doch nachmittags nehme ich den wichtigsten Spruch meiner Dienstzeit auf. Führerbefehl, Herauskämpfen aus Wilna. Der General ist völlig überrascht. Abends werden sämtliche Anlagen zerstört. Wir brechen durch den inneren Einschließungsring zum Westrand der Stadt durch, General-Stoßtrupp. Alle deutschen gehen auf den Westrand zurück, Vorbereitungen zum Ausbruch.
12.7.1944 Wir haben von der Flak aus nochmal Verbindung aufgenommen. Dann werden auch diese Geräte zerstört. Ab 21:00 Uhr Übergang über die Wilja. Ein grausiges Bild. Viele Männer ertrinken. Strömender Regen. Der Russe schießt. Wenig Organisation. Ich fahre durch Glückszufall mit einem Schlauchboot mit noch 2 Mann herüber. Die erste Etappe glücklich geschafft. Meinen Trupp habe ich ganz verloren.
13.7.1944 Marsch nach Westen. Unterwegs Feindberührung mit Partisanen. Völliges Durcheinander unter den ca. 1000 Mann. Sturm auf die H.K.L. – wir müssen ein zweites Mal über die Wilja. Keine Vorbereitungen. Jeder muss praktisch sehen, wie er über den Fluß kommt. Hannes habe ich heute früh getroffen, welch Glück. –Nachmittags entschließen wir uns rüberzuschwimmen. Wir retten nur unsere Bekleidung.
14.7.1944 Eine Stunde Schlaf. Der Russe drückt nach. Wir werden in der Nacht weiter nach Kauen transportiert. Dieses Mal haben wir aber 30 Panzer als Begleitung. Morgens in Kauen. Ich bin immer noch völlig erschöpft. – Wir bekommen Essen und können schlafen. Sachen werden getauscht, Lager (?) ausgegeben. So langsam kommen wir wieder zu uns. Aber welch traurige Bilanz. Von 50 Mann der Nachr.Abt. sind 6 hier.
15.7.1944 Mir fehlen 4 Funker. Vormittags Appell in der Kaserne. General Stahel hält eine Rede an die "Wilna Kämpfer". Aber welche Opfer hat dieser Durchbruch gekostet. Man merkt erst jetzt, was man durchgemacht hat. Wir vervollständigen noch unsere Bekleidung. Wir Leute von der N.A. schließen uns der Art. an. Wir wollen ja alle zurück zu unserer Division. – Abends kommen wir direkt mal wieder rechtzeitig ins Bett.
16.7.1944

Wir verbringen den Tag so, kleiden uns ganz neu ein. Wir wollen aber weg hier, um nicht noch mal einen festen Platz zu verteidigen. Die Russen greifen ziemlich an, wie soll das noch zum Halten kommen. – Abends gehen Hannes und ich ins Kino. – Man kann immer noch nicht fassen, dass man nun aus dem ganzen Dreck wieder heraus ist. – Hannes bekommt das EK II."

       

 

Quelle: Veteran Hans L. - Tagebuchaufzeichnung.


 

Stärken der zur Verteidigung Wilna eingesetzten Kräfte

Einheit
Stärke
Bewaffnung
I./Pol. Rgt 16
4 Kopanien zu 90 Mann (insgesamt 360)
45 le.M.G,; 15 s.M.G.; 5 m.Gr.W.; 2 7,5 cm Pak deutsch; 4 4,5 cm Pak; 4 SPW; 2 Pz. Sp. Wg.
Div. Füs. Btl. 170
10 Offz.; 35 Uffz; 250 Mann (insgesamt 295)
6 s.M.G.; 17 le.M.G..; 32 M.Pi.; 50 Faustpistolen; 12 Schießbecher; 200 Gewehre.
                          Kampf-Btl. Wilna                           zusammenstellt aus Urlauber und Versprengte
1400 Mann
nur Karabiener.
Gren. Reg. 399
24 Offz.: 167 Uffz.; 933 Mann (insgesamt 1124)
42 le.M.G.; 7 s.M.G.; 1 7,5 Pak; 5 4,5 Pak (r); 1 3,7 Pak; 6 m.Gr.W.; 6 le.I.G.; 2 7,62 (r)
Gren. Brig. 761
hier eingetroffen: 1 Btl. Stabskp. und 14. Kp.
18 Offz.; 179 Uffz.; 942 Mann (insgesamt 1139)
11 le.M.G ohne Lafette; 3 m.Gr.W.; 30% ausgestattet mit M.Pi. und Schnellfeuergewehren.
14. Kp. 12 7,5 Pak ohne Bespannung
Art. Gruppe Tietz
17 Offz.; 123 Uffz.; 447 Mann (insgesamt 587)
9 le.F.H.; 6 s.F.H. (A.R.240).
Flak-Abt. 296
keine Angaben
4 Bttr. mit 12 8,8 cm und 8 2 cm38;
1 Flak-Kampftrupp mit 2 8,8 und 3 2 cm Flak 38
Pz.Jg.Abt. 256
keine Angaben
3 7,5 Pak; 1 2cm Flak (Sf); 1 Marder
Erste Teile Btl. Stab und halb Kp. (130 Mann) des Fallschirm-Rgt.16 im Luftlandetransport eingetroffen. Bericht über den festen Platz Wilna von General Schlemm.

Quelle: Auszug aus dem Kriegstagebuch des Pz.AOK III vom 1. - 14.7.1944 / Stand: 7.7.1944  19:00 Uhr

Quelle: Veteran Hans L. bestätigte mir diese Geschehnisse am 23.11.2014 durch Original-Dokumente.


 

 

Wehrmacht                                                                                                                Rote Armee  

3. Panzerarmee                 Generaloberst Georg-Hans Reinhardt
1. st Air Armee                  Generalleutnant М. М. Gromov
XXVI Korps                       General Gehard Matzky
3. Weißrussische Front      General Ivan Tschernjachowski
Garnision von Wilna         General Rainer Stahel
5. Armee
reste 4. Armee                  General von Tippelskirch
5. Garde-Panzerarmee       General Pavel Rotmistrow
XXXIX Panzer-Korps         General Dietrich von Saucken
11. Garde Armee               General Kuzma Galitsky
Speergruppe Weidling
31. Armee
 
33. Armee                          Generalleutnant Wassili Kryuchenkin
 
39. Armee

Partisanen

Polnische Partisanenverbände der „Armia Krajowa Heimatarmee

Während der Schlacht um Wilna versuchte die deutsche Garnision als “Festen Platz“ Wilna mit den Verbänden des Grenadier-Regiment 399, Artillerie-Regiment 240 der 170. Infanterie Division, Grenadier-Regiment 1067, ein Batallion aus dem 16. Parachute Regiment, eine Panzerabwehr-Abteilung des 256. Infanterie Division und andere Einheiten unter dem Kommando von Luftwaffen General Rainer Stahel, die sowjetische 5. Armee und 5. Garde-Panzerarmee aufzuhalten.


     

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